Als ich meinen ersten Job nach der Uni gekündigt habe, dachte ich, dass das die absolute Ausnahme sei. Aber wenn Zähne zusammenbeißen und Aushalten absolut keine Option sind, dann ist kündigen, auch ohne Plan B, die einzig richtige Entscheidung. Mit der Zeit habe ich dann immer häufiger mitbekommen, dass fast schon jeder Zweite aus meinem Bekanntenkreis seinen Job innerhalb der Probezeit gekündigt hat.
Onboarding – Wie sieht es in der Realität aus?
Das Erschreckende an der ganzen Sache ist, dass die Meisten sich über Jahre hinweg auf ihren zukünftigen Job vorbereiten. Es werden Praktika gemacht, viele gehen ins Ausland oder schreiben ihre Abschlussarbeiten in angesehenen Unternehmen. Sie tun viel, um später top ausgebildet und motiviert in ihren ersten Job zu starten.
Die Erfahrung, dass die Realität im Unternehmen dann anders aussehen kann, machen leider viele Menschen meines Alters. In den Bewerbungsgesprächen werden viele Versprechungen gemacht und ein gewisser Schein vermittelt. Startet man in seinem Job, kommt es oftmals zu einem Realitätsschock. Dann kann es vorkommen, dass das Unternehmen gar nicht so ist, wie es nach außen dargestellt wird.
So können Onboarding-Prozesse auch laufen:
Ein Freund von mir, der sehr fit im Bereich Blockchain ist, fing letztes Jahr bei einer angesehenen Versicherung an. Das Problem war nur, dass außer ihm im Unternehmen keiner so richtig wusste, wie das Thema Blockchain angegangen werden sollte. Einen Bewerber mit ausreichend Berufserfahrung gab es nicht, weshalb sich das Unternehmen dann für meinen Bekannten entschied, der frisch von der Uni kam.
Er wurde an seinen Arbeitsplatz geschickt und man hoffte, dass er, wie durch ein Wunder, Blockchain im Unternehmen etabliert, ohne Einarbeitung oder Zusammenarbeit! Zwei Monate später hat er gekündigt. Auch Monate nach seinem Ausscheiden ist seine Stelle noch unbesetzt.
Ein anderer Freund fing in einer Personalvermittlung an. Direkt in der ersten Woche wurde er mit Aufgaben überhäuft und sehr unterDruck gesetzt. Monatelang ging es ihm in dem Unternehmen ziemlich schlecht. Er schaffte sein Arbeitspensum nicht und zweifelte zunehmend an sich selbst, seinen Fähigkeiten und seiner Arbeitsleistung. Irgendwann erfuhr er, dass für seine Stelle eigentlich zwei Stellen vorgesehen waren und er bisher die Arbeit für zwei gemacht hatte. Auch er kündigte und suchte sich etwas Neues.
Wie kann aus negativen Erfahrungen gelernt werden?
Die gerade beschriebenen Situationen sind zwei von leider viel zu vielen. Aber was sind die Folgen von solchen Erfahrungen – sowohl die der Mitarbeiter als auch die der Unternehmen? Gibt es ein lessons learned?
So wie ich es aus meinem Umfeld kenne, gibt es bei Mitarbeitern oder gerade bei Berufseinsteigern zwei Wege. Die einen sehen es als Erfahrung und starten direkt in den nächsten Job. Sie können die Situation für sich sehr gut analysieren und sich klar abgrenzen. Auf der anderen Seite kann eine solche Erfahrung auch Negatives mit sich bringen. Gerade Berufseinsteiger haben gewisse Erwartungen an ihren ersten Job und haben keinerlei Vergleichsmöglichkeiten. Wie also soll man wissen, ob das, was da im Unternehmen mit einem passiert, alltäglich ist oder vielleicht doch wenig mit einem selbst zu tun hat?
Den jungen Generationen wird nachgesagt, dass sie zu hohe oder realitätsferne Erwartungen an die Arbeitswelt haben. Aber was ist, wenn wir einmal in die andere Richtung denken und uns bewusst machen, dass gerade diese Generationen festgefahrene Muster erkennen und hinterfragen. Genau dieses Feedback können die Unternehmen für sich nutzen und Veränderungen anstoßen. Viel wichtiger ist es, dass ein Austausch auf beiden Seiten vorhanden ist und voneinander gelernt werden kann.
Liegt der Erfolg alleine beim Onboarding-Prozess?
Ich habe den Eindruck, dass sich Unternehmen oftmals selbst im Weg stehen und es riskieren, dass gute Mitarbeiter abwandern. Dabei kann der Onboarding-Prozess mit ein paar simplen Maßnahmen so gestaltet werden, dass sich neue Mitarbeiter im Unternehmen willkommen und integriert fühlen.
Aber vielleicht liegt es auch nicht immer am Onboarding-Prozess selbst, sondern viel mehr an der Unternehmenskultur. Meiner Meinung nach sollte in einer Unternehmenskultur genau dieses Thema fest verankert sein. Die Einarbeitung und Integration von Mitarbeitern hat etwas mit Wertschätzung zu tun, die in allen Unternehmensbereichen verankert sein sollte.
Da angefangen und auch umgesetzt, läuft der Onboarding-Prozess neuer Mitarbeiter (fast) wie von selbst. Das “fast” impliziert die Unterstützung der Geschäftsleitung, denn für Onboarding müssen finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden. Das ist der springende Punkt, wenn man überlegt, wie klein der Prozentsatz der Unternehmen ist, die finanziell in den Onboarding-Prozess investieren. Mehr dazu finden Sie in unserem anderen Blogbeitrag zum Thema Onboarding.
Wie gelingt der erste Schritt?
Versuchen Sie sich in die neuen Mitarbeiter oder auch Berufseinsteiger hineinzuversetzen!
- Was sind wohl die Erwartungen an den neuen Arbeitgeber?
- Welche Ängste oder Zweifel haben sie, wenn sie in einem neuen Job starten?
- Wie hat sich der Berufseinstieg damals für Sie angefühlt und welche Unterstützung hätten Sie sich von der Unternehmensseite gewünscht?
Heute haben wir die Chance, die alteingesessenen Muster zu hinterfragen und zu verändern! Und das ist zwingend notwendig im Hinblick auf den Fachkräftemangel.
Mitarbeiter gut in das Unternehmen zu integrieren ist genauso wichtig, wie die bereits beschäftigten Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Und es beginnt mit gegenseitigem Austausch und Wertschätzung. Schauen Sie einmal auf Ihr Unternehmen:
Wie positionieren Sie sich aktuell in Ihrem Unternehmen beim Thema Onboarding? Was können Sie tun, um die Einarbeitung Ihrer zukünftigen Kollegen zu verbessern?