Nehmen wir einmal an, dass in Ihrem Unternehmen eine leitende Position frei wird. Sie haben bei der Neubesetzung zwei Kandidaten in der engeren Auswahl: Herrn Müller, der über eine hervorragende fachliche Expertise verfügt und Herrn Schneider, der fachlich zwar nur halb so fit ist, aber über eine exzellente emotionale Intelligenz verfügt. Für wen würden Sie sich entscheiden?
Emotionale Intelligenz als Schlüsselkompetenz für beruflichen Erfolg
Früher wurde die Entscheidung oftmals zugunsten des Experten getroffen, unabhängig seiner Führungskompetenz oder emotionalen Intelligenz. In den 90er Jahren brachte dann Daniel Goleman durch den Begriff der emotionalen Intelligenz in der Wirtschaft einen Stein ins Rollen.
Zuvor wurden Emotionen und Gefühlen in der Arbeitswelt kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Sie galten oftmals als „Gefühlsduselei“. Heute sind wir in der Gefühlswelt um einiges weiter und somit wird sich nun lieber für einen Herrn Schneider entschieden. Der ist zwar kein fachlicher Experte, verfügt aber dafür über äußerst gute Führungsqualitäten.
Was verstehen wir unter emotionaler Intelligenz?
Was unterscheidet also Herrn Schneider von Herrn Müller? Herr Müller mag zwar über einen hohen IQ (Intelligenzquotienten) verfügen, aber sein EQ (emotionale Intelligenz) ist hingegen nicht sehr stark ausgeprägt: Herr Müller ist ein ausgezeichneter Experte auf seinem Gebiet, niemand ist fachlich so fit wie er. Allerdings ist Herr Müller in seinem Unternehmen für seine Alleingänge und forsche Art bekannt. Seine Kollegen haben wenig Vertrauen zu ihm und wünschen sich von ihm eine deutlich kooperativere Zusammenarbeit. Dass sich dann die Geschäftsführung doch für Herrn Schneider entscheidet, kann Herr Müller keineswegs verstehen. Was also ist an der emotionalen Intelligenz so ausschlaggebend, dass dafür halb so wenig Erfahrung und Expertise in Kauf genommen wird?
Wenn wir bei dem Beispiel bleiben, dann überzeugt Herr Schneider durch seine offene und kommunikative Art. Er versteht es im Team zu arbeiten. Seine Kollegen schätzen seine kooperative und vertrauensvolle Arbeitsweise. Ihm werden also aufgrund seiner Persönlichkeit, bzw. seiner emotionalen Intelligenz, bessere Führungsqualitäten zugesprochen. Auch die Geschäftsleitung sieht in ihm eine vertrauensvolle Führungskraft, die sich selbst als auch ein Team einschätzen und führen kann. Somit fällt die Entscheidung zu seinen Gunsten und er bekommt den Job.
Was ist unter EQ zu verstehen? Warum entscheidet man gegen den Experten?
Emotionale Intelligenz ist die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und die Gefühle anderer zu erkennen und zu verstehen. Eine emotional intelligente Person nimmt die eigenen Gefühle und die anderer Personen wahr und kann diese souverän und angemessen reagieren.
Schon 1920 prägte der US-Psychologe Edward Lee Thorndike den Begriff der “sozialen Intelligenz”. Er erkannte bereits damals, dass selbst der fachlich beste Mechaniker als Vorarbeiter scheitern wird, wenn es ihm an sozialer Intelligenz fehlt. So richtig berühmt wurde der Begriff der “emotionalen Intelligenz” aber erst fast 80 Jahre später durch Daniel Goleman, der EQ ein ganzes Buch widmete, welches zum Bestseller wurde.
Emotionale Intelligenz ist nicht, wie oftmals vermutet, das Gegenteil vom IQ, sondern vielmehr eine Erweiterung und eine Schlüsselkompetenz für beruflichen Erfolg. Unterschiedlichste Untersuchungen ergaben, dass weder der Schulabschluss noch der IQ eine Karriere verspricht. Bedeutend wichtiger für leitende Positionen ist der EQ. Dieser ist fast allein entscheidend für den beruflichen Erfolg – Fachwissen wird heute vielmehr zweitrangig betrachtet. In führenden Positionen kommt es viel mehr darauf an Mitarbeiter zu motivieren und mitzureißen, Potentiale zu erkennen und stets die Dynamiken der Teams im Blick zu haben. Diese Kompetenzen treffen lediglich auf Herrn Schneider zu, weswegen berechtigterweise die Wahl auf ihn fällt.
Emotionale Intelligenz nach Goleman
Aber noch einmal einen Schritt zurück: Was macht nun einen emotional intelligenten Menschen nach Daniel Goleman aus? Eine Person mit einem hohen EQ verfügt seiner Meinung nach über ein starkes Selbstvertrauen und weiß um die eigenen Stärken und Schwächen. Sie verfügt über eine gute Selbsteinschätzung und hat eine selbstkritische Haltung. Goleman fasst das Ganze unter dem Begriff der Selbstreflexion zusammen.
Goleman zufolge ist eine emotional intelligente Person offen gegenüber anderen, vertrauenswürdig und kann sich gut an andere Menschen und Situationen anpassen. Darüber hinaus verfügt diese Person über eine hohe Selbstmotivation: Sie hat einen starken Willen zum Erfolg. Diese Person ist sehr engagiert und hat eine optimistische Einstellung zu ihrer eigenen Leistung.
Eine emotional intelligente Person ist empathisch. Sie besitzt die Fähigkeit andere Menschen zu fördern und weiterzuentwickeln. Sie kann nicht nur eigene Gefühle wahrnehmen und verstehen, sondern auch die der anderen Personen. Eine hohe EQ setzt eine hohe soziale Kompetenz voraus, zum Beispiel die Fähigkeit, andere für Visionen zu begeistern und Veränderungen herbeizuführen, ein gutes Kommunikationsgeschick sowie andere Führungsqualitäten.
Dass diese Fähigkeiten ausschlaggebend für den beruflichen Erfolg sind, wird auch durch neueste Untersuchungen gestützt. So hat die Unternehmensberatung Egon Zehnder International Durchschnitts-Führungskräfte mit Spitzenkräften hinsichtlich der fünf Fähigkeiten verglichen. Das Ergebnis war mehr als deutlich: Die hier genannten, emotionalen Fähigkeiten sind bei besonders erfolgreichen Führungskräften sehr viel stärker ausgebildet. Somit ist darauf zu schließen, dass je erfolgreicher die Führungskraft, desto höher die emotionale Intelligenz.
Führungskraft und EQ
Gerade in der Projektarbeit spielt eine emotional intelligente Führungskraft eine entscheidende Rolle: Dort gibt es Kollegen aus den verschiedensten Bereichen, die für eine bestimmte Zeit zusammenarbeiten sollen und sonst wahrscheinlich nicht einmal zusammen in die Mittagspause gehen würden. Im Projekt arbeiten Vertriebler, Programmierer und Designer zusammen – verschiedenste Professionen und mitunter sehr unterschiedliche Charaktere. Hinzu kommen modernste Arbeitsweisen, die zusätzlich für Sprengstoff sorgen können. In diesen Konstellationen ist eine Führungskraft mit einer guten Intuition und Bauchgefühl wichtig, um das Team leiten zu können. Unstimmigkeiten und Probleme müssen frühzeitig erkannt werden, aber auch genauso motivierende Faktoren.
Aber wie bringt eine Führungskraft seine Mitarbeiter dazu, dass diese motiviert arbeiten? Sie muss ein Gefühl dafür haben, unter welchen Umständen die Mitarbeiter intrinsisch motiviert sind; und wenn diese mal weniger vorhanden ist, ebenso, wie sie die Mitarbeiter extrinsisch motiviert. Was braucht ein Mitarbeiter, um gut und im Sinne des Unternehmens arbeiten zu können? Vergleichen wir das Projektteam mit einer Fußballmannschaft: Was brauchen die Spieler und das gesamte Team, um zu gewinnen und besser als das andere Team zu sein?
Das Team braucht einen Trainer, der über einen kooperativen Führungsstil und die Fähigkeit, Stimmungen und Gefühle wahrnehmen zu können, verfügt. Das herausragende Fachwissen muss nicht zwangsläufig die Führungskraft, bzw. der Trainer haben, sondern die einzelnen Teammitglieder. In einem Team kommen viele Experten zusammen, die zusammen mit der Führungskraft Erfolge für das Unternehmen einfahren. Was nützt es, wenn die Führungskraft auch ein Experte fürs inhaltliche Thema ist, wo sie doch eigentlich der Experte fürs Team sein soll und die Teammitglieder selbst über die Expertise verfügen?
Emotionale Intelligenz – mein Fazit
Emotionen spielen in der Arbeitswelt eine äußerst wichtige Rolle und sollten, egal ob im Privaten oder im Arbeitsalltag, Beachtung finden. Wenn Gefühle an der Bürotür abgegeben werden und es zu einer Ent-Emotionalisierung kommt, hat dies negative Folgen für den Geschäftserfolg und das kollegiale Miteinander. Aber wie kann dem vorgebeugt werden und wie kann emotionale Intelligenz in Unternehmen gewinnbringend genutzt werden?
Führungskräfte, die über Ausstrahlung und Persönlichkeit verfügen und ein gutes Händchen dafür haben mit Menschen umzugehen, sind das Aushängeschild einer jeden Organisation und entscheidend für ein jedes Unternehmen, welches langfristig erfolgreich sein möchte. Die Führungskräfte sind es, die durch ihren kooperativen Führungsstil ein angenehmes Arbeitsklima schaffen, sodass sich die Mitarbeiter wohlfühlen und sich im Sinne des Unternehmens intrinsisch engagieren. Eine Führungskraft, der diese emotionalen oder auch sozialen Kompetenzen fehlen und die fast ausschließlich über hervorragendes Fachwissen verfügt, ist eine schlechte Wahl als Führungskraft.
Für jedes Unternehmen ist es wichtig, dass Teams und Projekte gut geführt werden und Stimmungen und Probleme frühzeitig erkannt und angesprochen werden. In der heutigen Arbeitswelt, die geprägt durch Schnelllebigkeit und Unsicherheiten, können Führungskräfte eine klare Linie und Vertrauen schaffen. Eine Kultur des Vertrauens und ein Daseinsrecht für Emotionen in der Arbeitswelt ist für Unternehmen mit vielen und vielfältigsten Mitarbeitern grundlegend und können ein Miteinander schaffen. Ein Miteinander welches ein gemeinsames Ziel verfolgt und gemeinsam nach vorne bringen will. Genau aus diesem Grund sind Führungskräfte mit Bauchgefühl und Intuition wichtig. Menschen, die jeden einzelnen Mitarbeiter sehen und diesem bewusst machen, welchen Beitrag er für das Unternehmen leistet. Eine Führungskraft mit hoher emotionaler Intelligenz schafft ein Involvement, was das Unternehmen durch jeden einzelnen Mitarbeiter nach vorne bringt.